Ungarn & Paprika. Ein Lieferantenbesuch

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Unser Gewürzpaprika: Spitzenqualität von Bio-Kleinbauern der Region Szeged

037) Im Paprika-Museum: Marktszene Anfang letzten Jahrhunderts. Hier werden die getrockneten Gewürz-Paprika-Stränge gehandelt.
038) Gewürz-Paprika-Markt Anfang 20. Jh. – Übrigens: Der Real-Sozialismus brachte 1948 eine einschneidende Veränderung für die vielen kleinen Gewürzbauern. Sie durften nicht mehr selbst Paprikapulver für die Dorfmärkte produzieren, sondern mussten die Schoten direkt nach der Ernte an die beiden Staatsbetriebe mit Monopol abliefern. Frauen schmuggelten gerne unter ihren weiten Röcken dennoch einige Kilos heimlich produzierter Ware auf den Markt – fielen jedoch durch den Geruch auf. Zwei Monate Gefängnis gab es für 2 kg illegales Paprikapulver. Dieses Gesetz wurde erst 2009 wieder aufgehoben, 20 Jahre nach der Wende.
039) Paprika-Museum: Gewürzpaprika-Schoten reifen in aufgefädelten Strängen an der Hauswand nach.
040) Paprika-Museum: Frauen sähen die Paprika-Saat von Hand.
041) Jeder kennt die Samen – bei Gemüsepaprika stören sie beim Kochen, bei Gewürzpaprika enthalten sie den Stoff der roten Farbe und wertvolles Capsaicin.
042) – Paprika liebt nur den Schatten des Arbeiters – beim Unkrautjäten.
043) Paprika-Museum: Setzlinge
045) Die vier Qualitätsklassen für Gewürzpaprika. Edes-nemes, edelsüß oder nobel-sweet, ist zwar hier erst an 3. Stelle, aber steht im Ausland für beste Qualität. Die beiden vorhergehenden Qualitäten gibt es im Grunde nur 2-3 Monat direkt nach der Ernte vor Ort, und wegen des sinkenden ASTA-Gehalts haben diese Stufen auch nur ein Mindesthaltbarkeitsdatum von wenigen Monaten.
046) Paprika-Museum: Mühlsteine der alten Paprikamühle.
048) Im Produktionsraum unserer Bio-Paprikamühle
050) Hier sind die Mahlsteine drin. Gemahlen wird nach Gehör, sagt der Produktionsleiter.
051) Heinz-Dieter Gasper von Heuschrecke, der Produktionsleiter der Mühle, Anita, die Chefin der Paprikamühle, Guszti, der Koordinator für unseren Bio-Paprika aus Szeged.
052) Trocknung der Rohware nach dem Reifen.
057) Gerade geerntet – ausgebreitet zum Nachreifen. Darunter ist eine warme Gebläse-Anlage, damit nichts schimmelt.
062) Im Herzen des Paprika-Gebiets und für Touristen ist der erste Paprika ein Hype wie der Beaujolais-Primeur. Schon im August gibt es das erste Pulver des neuen Jahrgangs …
064) … aber nur von Hybridpflanzen. Alles andere ist jetzt noch richtig grün – und wird aber gehaltvoller am Ende.

Paprika stammt ursprünglich aus Mittel- und Südamerika und kam wie viele Heil-, Gewürz- und Gemüse-Pflanzen im Gefolge Christoph Kolumbus nach Europa.

 

Paprika, und auch unser Gewürzpaprika, hat eine lange Vegetationszeit, und benötigt 6 Monate Wärme ohne Frost.
Zunächst wurde Paprika in Spanien angebaut, dann ab dem 18./19. Jahrhundert auch in Ungarn, wo die Methode verfeinert wurde, und sich über die Jahrhunderte ein Know How für höchste Qualität bildete.

In richtig heißen Ländern reift die Frucht am Strauch aus, in Ungarn kommt das klimatisch nicht ganz hin. So wurde eine Methode entwickelt, die Gewürzpaprikaschoten nach der Ernte im Oktober nachreifen zu lassen. Mindestens 2 Wochen, wenn möglich 3 Wochen, hingen sie in Netzen von den Hausgiebeln herab – heute lagern sie dieselbe Zeit in warmen Lagerhallen mit leichter Gebläse-Trocknung.

Der Vorteil des Nachreifens im Gegensatz zum Ausreifen am Strauch: es bleibt mehr Fruchtzucker erhalten, der am Strauch in den letzten Wochen doch abgebaut wird. Der Geschmack ist aromatisch-fruchtig, und Ungarn ist bekannt für die höchsten ASTA – (Farb-) Werte bei Gewürzpaprika.

Ursprünglich war Paprika immer scharf. Die Ungarn haben sozusagen den süßen Gewürzpaprika (edelsüß ist eine der Bezeichnungen) erfunden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es eine Mädchen-Aufgabe, die Paprikaschoten aufzuschneiden und die Kerne so lange zu waschen, bis die Schärfe hinausging. Inzwischen wurden milde Gewürzpaprika-Varietäten gezüchtet, und niemand wäscht mehr Kerne.

Die Kerne sind übrigens wichtig für die Farbe (wird nach dem Mahlen rot) und Brillanz des Pulvers, enthalten wertvolles Capsaicin und müssen unbedingt mitgemahlen werden.

Der Verarbeitungsprozess für ungarischen Gewürzpaprika ist:

  • Ernte: Unsere Bio-Kleinbauern ernten von Mitte September bis Mitte Oktober von Hand. (Konventionelle Großbetriebe ernten auch mit Maschinen und beginnen mit frühreifen Hybridsorten bereits Mitte August).

     

  • Nachreifen

     

  • Waschen (kalt)

     

  • Schnetzeln

     

  • Trocknen bei 45 – 80°C

     

  • Mahlen – 2x im Jahr, jeweils kurz vor dem Versand, um die Farbe bestmöglich zu erhalten. In Ungarn wird traditionell auf Steinmühlen gemahlen – nicht extrafein, sondern die Pixel bleiben etwas gröber (0,425 mm-Siebe), um die Inhaltsstoffe zu erhalten. Die ASTA-Werte bauen sich natürlicherweise im Laufe des Jahres ab (ca. 5 Asta/Monat, das Pulver wird gelblicher).

     

  • Könner ernten 250 ASTA und mehr in guten Jahren. Die diesjährige Mischung unserer Kleinbauern wird ca. 150 ASTA nach der Verarbeitung haben (die Verarbeitung reduziert natürlich auch etwas).

Unser Bio-Paprika wird ausschließlich auf Steinmühlen in einer Szegeder Paprikamühle, einem alten Familienbetrieb, verarbeitet, der sich dafür extra biozertifizieren ließ. Als bekannter Traditions-Betrieb mit eigener großer Marke wird dort parallel auch konventioneller Paprika vermahlen. Beide Produktionsstränge – konventionell und bio – verlaufen zeitlich und räumlich getrennt.
Die alten Fotos weiter oben stammen aus dem eigenen Paprika-Museum der Mühle.

Unser Gewürz-Paprika stammt von Bio-Kleinbauern in Süd-Ungarn rund um die Städte Szeged und Hodmezövasharely (sprich: Hodd mesöö vasharei)- diese Region steht für Spitzenqualität, bekannt für schwarze Erde.

Übrigens, gerade als wir dort waren, erhielt Anita, die Chefin unserer Paprikamühle, als eine der ersten ungarischen Firmen die Anerkennung, ihren Paprika mit der geschützten (seit 2010 EU-Gesetzgebung) Ursprungsbezeichnung “Szegedi Paprika” zu vermarkten.
Unser Paprika erfüllt zwar auch die Ursprungsbedingungen, aber da wir nicht im Ursprung sondern bei uns im Haus abfüllen, dürfen wir diese Bezeichnung wahrscheinlich nicht verwenden – geben aber als Herkunft die Region Szeged an.
Interessant auch:nur jeweils 1/2 Jahr gäbe es die Qualitätsbezeichnung “Szegedi Paprika”, weil in der Regel nur etwa solange der Mindest-ASTA-Wert von 120 erfüllt werden kann.

Unser Koordinator Guszti requiriert die Bio-Bauern, sorgt für Saatgut, koordiniert Flächen, Mengen, Biozertifizierung und organisiert die Fertigstellung in der Paprikamühle und den Export.

 

Wenn sich ein Bauer entschließt, Bio-Paprika für unseren Koordinator auf zB. 2 oder 4 ha anzubauen, muss er die dreifache Fläche einplanen: Paprika wird in jährlicher Rotation mit Mais und Herbstweizen oder Gerste angebaut.

Paprika kann sowohl gesät als auch gepflanzt werden – unsere Biobauern machen beides, und zwar von Hand.
Über 30 Gewürzpaprika-Varietäten stehen zur Auswahl – mit Früchten “erected” oder “hanging down”, und unterschiedlichem Reifeverhalten, sodass mehrfache Erntedurchgänge im September und Oktober stattfinden können.

Beikräuter werden im Bio-Anbau im Juni-Juli fast täglich von Hand geharkt, drei Komplettdurchgänge in der Saison. Paprika braucht es heiß und sonnig – ein ungarisches Sprichwort sagt: “Paprika liebt nur den Schatten des Arbeiters.”

Der Klimawandel wirkt sich bereits aus, deshalb wird einerseits weiter mit geeignetem Saatgut experimentiert (wie in anderen Ländern auch), und sich andererseits darauf vorbereitet, überall Tropfbewässerungsanlagen aufzubauen – mobil oder fest. Auf einem Foto weiter unten sieht man, wie rissig der Boden im August ist.
Weitere Probleme für Paprika sind vor allem Hagel, Frost und Mäuse.

 
068) Partnerbauer Attila. Das Feld ist noch nicht so weit im August.
074) Heuschrecke Heinz-Dieter Gasper, Koordinator Guszti, Kleinbauer Attila.
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080) Attila hat einen eigenen Bewässerungsteich angelegt.
081) Das Gerät zum Sähen oder Setzlinge setzen.
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085) Diese landwirtschaftlichen Arbeitsgeräte haben ihre eigene Ästhetik.
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090) Bewässerungsgerät für die Paprika-Felder
094) Der Hof
105) Pause bei Schwiegervater Andras. Es gibt selbsterjagtes und selbstzubereitetes Wildschweingulasch.
111) Kein Wildschwein, sondern das berühmte ungarische Mangalica-Schwein.

Drei unserer meist 8 verschiedenen ungarischen Gewürzpaprika-Bauern möchten wir hier einmal vorstellen.

Attila bewirtschaftet die Farm seiner Großeltern kontrolliert biologisch, und auf einer anderen, konventionellen Farm züchtet er daneben Saatgut für die Marktführerfirma Szegedi-Paprika. Dort baut er außerdem Kartoffeln, Hafer, Mais und Industrie-Luzerne an. Er hält Schafe für den Eigenbedarf und zur Gewinnung von Dünger.
Für Guszti baut Attila auf 4ha Bio-Gewürzpaprika in Rotation mit Mais und Brachland an. Dieses Jahr hat er drei verschiedene Sorten Paprika als Setzlinge gepflanzt.

 
117) Üppig grünes Paprikafeld von Bauernpartner Mihaly (rechts)
121) Die Pflanzen sind zwar hier schon weiter, aber die Schoten noch grün.
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123) Mihaly
126) Mihalys Hof
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130) Selbstversorgung spielt eine große Rolle in Ungarn.
131) Die Tiere und der große Garten haben dieselbe Bedeutung wie für andere “mein Haus, mein Auto, mein Boot”. Das sichere Gefühl, sich in Krisenzeiten selbst versorgen zu können, wird sehr wertgeschätzt.
138) Bei Bauernpartner Kalman …
140) … mit seinen 3 Söhnen.
143) Eine Vorzeige-Ökofarm und ein schöner Familienbetrieb.
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145) Der Boden zeigt die große Trockenheit.
150) Auf der Ökofarm
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156) Kalman und seine Frau
158) Auch hier vieles zu Selbstversorgung: Bienen,
159) der große Garten
163) Hühner und Schafe
164) Gastfreundschaft

Mihaly, seit 2005 biozertifiziert und gesamt 25ha, baut für Guszti auf 2ha Gewürzpaprika an. Er erntet davon 15-20 to Rohware, das ergibt 2,5 – 3 to fertiges Paprikapulver. Daneben baut er für weitere Abnehmer Gewürzpaprika, Kürbis und Dinkel an.

Dieses Jahr hat er die Sorte “Hoffnung” als Saatgut eingebracht. Das Ergebnis sieht sehr gut aus. Am Tag zuvor hatten wir bei Attila die Sorte “Sonnenschein” gesehen, die eindeutig kleiner ausfiel. Die Namen drücken auch das Experimentieren mit Erfolgen und Fehlschlägen aus, das durch den Klimawandel notwendig wird.

Kalman ist Bio-Pionier seit 1979. Seine 24ha Felder liegen günstig um die Farm herum und werden komplett biologisch bewirtschaft: Weizen, Facelia, Kartoffeln und Gewürzpaprika. Auf 1,2ha hat er für Guszti “Hoffnung” und “Caloressa” gesäht, mit dem Traktor. Geerntet wird wie bei den anderen Bauern per Hand.

Im Paprika-Feld gibt es eine Tröpfchenbewässerung. Auch wenn die Pflanzen gut versorgt sind, dürfen die Gewürzpaprika-Schoten nicht zu früh rot werden (jetzt Mitte August ist der Hauptteil noch ganz grün)- dies wäre ein Calciummangel der Pflanze.

Auf den Bildern sieht man Kalman mit seinen (prächtigen, finden wir) Söhnen. Sohn Kornel arbeitet neben seinem Studium auf der Farm mit und wird sie wohl später übernehmen.
In Kalmans Farm spürt man den Idealismus der Pioniere. Sie ist liebevoll eingerichtet und bietet Land- und Öko-Schnupperkurse für Schulkinder, mit einer Kochstelle draußen, einem prachtvollen Garten, einem Vogelmuseum und Streichelzoo mit Schafen und dressierten Hühnern.

Jetzt ist unsere Reise in Ungarn schon über ein Jahr her, aber ist im Moment wieder ganz lebendig, da gerade die ganzen Rohwaren-Muster unserer Bauernpartner der aktuellen Ernte 2012 – frische ganze und getrocknete, vorgeschnittene Schoten – durch unsere Hände gehen. Wir organisieren für Guszti hier in Deutschland die Pestizid-Analysen der einzelnen Rohwarenchargen bei einem BNN-akkreditierten Labor (siehe www.n-bnn.de/cms/website.php ) bevor sie dann in Szeged weiterverarbeitet werden. Im tiefsten Winter wird dann das warmrote, duftende, neue Bio-Gewürz-Paprikapulver bei uns eintreffen.

Ursula Stübner und Heinz-Dieter Gasper

P.S.

Noch etwas Praktisches: Warum klumpt Paprika eigentlich immer so schnell?

 

 
Das Festwerden oder Klumpigwerden ist früher oder später bei Lagerung ein unvermeidbares, produktbedingtes Problem bei allen Paprikas. Das liegt in erster Linie am Wassergehalt, in Kombination mit dem hohen Zuckergehalt. Paprika braucht eine Restfeuchte von mind. 6% bis höchstens 12%. Unter 6% würden die Aromen verschwinden (Sägemehl).
Unser ungarischer Paprika hat eine Restfeuchte von 8% im Durchschnitt. Er wird nach 3 – 4 Monaten natürlicherweise klumpig. Man verzögert das Problem durch optimale Lagerung, wie es mit den Vorräten in den Paprikamühlen geschieht: trocken und zwischen 0 – 10°C (wir lagern zwischen 10 und 18°C, und lockern vor dem Abfüllen alles auf). Das Klumpigwerden verstärkt sich unvermeidlich ab 20°C – 25°C und mit zunehmender Raum-Feuchtigkeit.
Hier hilft nichts, außer selber nachzulockern, z.B. mit einer Gabel (Dose kann unten geöffnet werden), durch Aufstoßen und Schütteln. Da es ein natürliches Phänomen ist, müssen wir und unsere Kunden damit umgehen (kein Reklamationsgrund). Es beeinträchtigt nicht die Geschmacksqualität.

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