Reisebericht: Ägypten

 

 

Wer uns kennt, weiß, dass wir gerne Urlaub und unseren Beruf verbinden. Da inzwischen einige Bio-Gewürze und –Kräuter aus Ägypten stammen, nutzten wir diesen Sommer, um die reiche Kultur dieses Landes kennen zu lernen und unsere Lieferanten zu besuchen.

Gut vorbereitet mit Geschichtsliteratur, Schmökern über die Pharaonenzeit und den in Kairo spielenden Romanen des ägyptischen Literatur-Nobelpreisträgers Nagib Machfus (der uns Kölner an unseren Heinrich Böll erinnerte – beide beschreiben das Leben in den 30er-60er Jahren des letzten Jahrhunderts), ging es mit einer Nilkreuzfahrt los.ein Pharao in der Wüste beim Nasser SeeSieben Tage fuhren wir – sehr ruhig und erholsam – auf dem Nasser See von Abu Simbel (… der große Ramses-Tempel …) bis zum Assuan-Staudamm und dann von Assuan auf dem Nil weiter nach Luxor. Schmale grüne Streifen säumen den Nil, dahinter rote Wüste aus Sand und Felsen.Wir besuchten Felsentempel und in die Felsen gehauenen Grabstätten, in deren Innerem die über 3500 Jahre alten Reliefs und farbigen Zeichnungen gut erhalten waren.Tempel-Bild Große Tempelanlagen mit Obelisken, gigantischen Statuen aus einem Stein gemeißelt und die detaillierten Zeichnungen an den Wänden geben das Bild einer grandiosen Hochkultur.Die Entwicklung der Pharaonischen Religion mit den regionalen und überregionalen Gottheiten, auch die kurze Zeit der monotheistischen Sonnenreligion des Pharaos Echnaton, und die Anklänge und Übergänge zum Christentum waren wie von bebilderten Wandzeitungen abzulesen.

An diesen Reiseteil in Oberägypten schlossen sich noch einmal 2 Wochen Kairo an. Von den alten Relikten mitten ins tosende Leben der 18-Millionenstadt.Wir sind tagelang durch die alten Viertel gelaufen, haben im Verkehrschaos gestanden und gestaunt  – scheinbar immer kurz vor dem Zusammenbruch – jede Straßenüberquerung für Fußgänger eine Mutprobe – und waren fasziniert, dass dieser Moloch funktionierte (wahrscheinlich sind dies die Städte der Zukunft  …). Streifzüge durch die winkligen Marktgassen, Siesta in den gastfreundlichen Moscheen, Teetrinken zu köstlichen orientalischen Süßigkeiten im Café, auf den Spuren der Helden der Kairoer Trilogie des oben erwähnten Schriftstellers Nagib Machfus. Und hin und wieder saßen wir einfach an einem ruhigen Ort mit geschlossenen Augen und haben uns den Lärm der Stadt wie eine urbane Sinfonie angehört: Geschrei, Motorenlärm, Hupkonzerte und die melodiöse Kakophonie der Gebetsrufe vielzähliger, dicht beieinanderliegenden Moscheen.Pyramide von GizehPyramiden von Gizeh Über alldem wachen stoisch die Pyramiden, die inzwischen von der ausufernden Stadt fast eingemeindet wurden.

 

 

Bio-Anbau in Ägypten

 

Kairo war dann der Ausgangspunkt unserer Lieferantenbesuche. Hier im Nildelta und in der nahegelegenen ‚Oase’ Al-Fayum, die durch einen Nilarm bewässert wird,  liegen fast alle bio-zertifizierten Farmen Ägyptens.Demeter - Basilikum Feld, Sekem Farm Es kommen inzwischen eine solch große Menge an Bio-Früchten, -Gemüsen und –Gewürzen aus Ägypten nach Deutschland, dass wir die Vorstellung von großen Monokulturen hatten. Tatsächlich ist die Agrarwirtschaft hier sehr traditionell. Kleine Felder, Vielfalt im Anbau, viel Handarbeit, Weiterverarbeitung mit einfachen Mitteln.Mit drei Ernten im Jahr wurden vordergründig Fortschritte im Ertrag erzielt gegenüber den ‚alten Zeiten’, wo das ganze Leben sich um die einmal im Jahr stattfindende Nilüberflutung drehte, in deren Anschluss es dann nur eine Ernte gab.Feldarbeiter, Bio-Anbau in Al-FayumDer Fortschritt macht wie meist auch Probleme. Durch den Assuan-Staudamm wurde zwar der Nil reguliert, viel Strom erzeugt, und die Agrarwirtschaft wurde unabhängig von der Überflutung. Doch der fruchtbare Nilschlamm blieb nun aus: er lagert sich südlich des Staudamms ab – mit Nachteilen für das Ökosystem im riesigen Stausee-Gebiet, und mit der Folge nachlassender Qualitäten der Agrarerzeugnisse. Nördlich des Staudamms, am Unterlauf des Nils fehlt dem Ackerland nun der natürliche Dünger. Ebenfalls laugen die zwei zusätzlichen Ernten die Böden aus. Es werden daher wachsende Mengen Pestizide und synthetische Dünger benötigt.Da die Felder recht klein sind, besteht verstärkt die Gefahr, dass der konventionelle Nachbar die Ränder eines Bio-Ackers unabsichtlich „mitbehandelt“. Entsprechend ist eine ständige Überprüfung durch Analysen nötig und wird auch von Anbauern und Importeuren durchgeführt.Für die ägyptische Landwirtschaft ist der erfreulich wachsende Bio-Anbau ein Segen, gleichzeitig der beste Umweltschutz.Bio-Zitronengras-FeldÄgyptische Kräuter und Gewürze haben typischerweise eine einfache, leichtere Qualität, weniger intensiv als europäische Herkünfte. Sie sind so mild und freundlich wie die liebliche Nil-Landschaft. Da sie im Preis günstig liegen, sind sie bei uns gesucht. Typische Bio-Gewürz- und -Kräuterprodukte aus Ägypten sind: getrocknete Zwiebeln und Knoblauch, Schwarzkümmel, Basilikum, Kamille, Koriander, Hibiskus, Süßholz, Zitronengras, Anis, Fenchel, Kümmel, Kreuzkümmel, Nanaminze und Pfefferminze, Dill und Petersilie, getrockneter Sellerie, Karotten, Lauch.

 

 

Dampfsterilisationsanlage AgromisrInhaber Mr. Morsy von Agromisr

Alexandria – Bio-Export

 

Unser erster Besuch führte uns ans Mittelmeer nach Alexandria. Wir besichtigten eine Bio-Exportfirma, die ursprünglich konventionell arbeitete, aber seit ca. 15 Jahren aufgrund der Nachfrage mehr und mehr Bio-Erzeugnisse anbietet. Exportiert werden hauptsächlich Zwiebeln und Knoblauch sowie getrocknete Datteln nach Deutschland.

Die Firma hat Kontrakte mit einer Anzahl kleiner Bio-Bauern in ganz Ägypten. Die frisch geerntete Ware wird auf den Höfen vor Ort getrocknet (kein Problem bei dem Klima: ohne Regen, meist 35 – 45°C), und anschließend in der Firma weiterverarbeitet: gereinigt, sortiert, geschnitten, gemahlen. Laut Firmenphilosophie liegt der Schwerpunkt eher auf der Qualität der Ware als auf niedrigen Preisen. Entsprechend sahen wir moderne Verarbeitungsmaschinen (Sortierung, Dampfsterilisation usw.). Speziell zu uns kommen Dill, Petersilie und vor allem Zwiebeln.

 

 

Sekem Farm, Belbes – Kairo

 

Sekem Farm nordöstlich von KairoDie Sekem – Farm ca. 60km nordöstlich von Kairo, unser nächster Besuch, ist ein Projekt mit anthroposophischem Hintergrund (Demeter-Anbau) und ganzheitlichem Anspruch. Der in Österreich aufgewachsene Ägypter und Gründer Ibrahim Abouleish ist vor kurzem (2003) für sein Lebenswerk mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet worden.

Sekem, Schulgebäude und MoscheeNeben kleiner, eigener Landwirtschaft und der Verarbeitung von Produkten von mittlerweile 800! Bio-Vertragsbauern gibt es dort einen (Waldorf-) Kindergarten und –Schule, bald eine freie Universität,  sowie verschiedene Ausbildungsstätten. Der soziale Standard für die Arbeiter ist hoch: mit Gesundheitsversorgung, Fortbildungen, ausgewogene Mahlzeiten usw..Innerhalb der Sekem – Farm gibt es eine Firma für Bio-Baumwollkleidung, für Naturheilmittel, und für die Sekem-Eigenmarke „Isis“. Die Isis-Produkte waren uns vorher schon im ganzen Land begegnet – wie waren verblüfft über die Verbreitung dieser Demeter-Produkte in Ägypten.Ringelblumen-Sortierung, Sekem FarmRingelblumen werden sortiert Nach Deutschland, unter anderem zu uns, kommen z.B. Knoblauch, Bockshornklee, Schwarzkümmel und Nanaminze. (Nachtrag: seit 2016 sind wir selber auch Demeter-zertifiziert und loben Demeter auf diesen Produkten jetzt explizit aus.)

Die nebenstehenden Fotos zeigen die Sortierung von Ringelblumen, die Trocknung von Gewürzpflanzen und die Herstellung des eigenen Kompost – dies ist bei Demeter-Anbau besonders wichtig.Kompost-Herstellung auf der Demeter-Farm SekemTrocknung von Gewürzpglanzen, SekemTatsächlich fühlten wir uns als Besucher wie in einem kleinen Paradies. Ein hoher Anteil an europäischen Mitarbeitern organisiert und lehrt in diesem großen Projekt mit überdurchschnittlichem Engagement. Für Interessierte sind hier links zu zwei Internetseiten über Sekem:

www.dreigliederung.de/sekem/

www.sekem-reisen.de/

 

 

Familienbetrieb Al-Seadawy in Al-Fayum

 

Vorne die drei Brüder Al-Seadawy Unser dritter Ausflug ging in die ‚Oase’ Al-Fayum. Keine echte Oase, sondern eine fruchtbare Enklave in der Wüste, die durch einen natürlichen Nilarm bewässert wird. Das Leben in dieser Region ist einfach und traditionell, bereits afrikanisch anmutend. Der geduldige Esel ist das wichtigste Verkehrs- und Transportmittel. Die kleinen Dörfer mit ihren Lehmhäusern, ungepflasterten Straßen und dem Leben vor den Häusern sind sehr ursprünglich.Die Familie Al-Seadawy, Vater mit drei Söhnen, beginnt nun, nachdem sie den Familienbetrieb vor einigen Jahren auf Bio-Anbau umgestellt hat, eine eigene Exportfirma aufzubauen. Sie vermarkten ebenfalls die Erzeugnisse anderer Bio-Betriebe mit.Besuch auf der Bio-Farm Al-SeadawyDie Brüder Ahmed, Nasser und Saed haben uns herzlich empfangen und uns hinter die Kulissen ihrer Arbeit schauen lassen. Das Programm der Familie Al-Seadawy ist sehr vielfältig – sie bieten fast alle der oben aufgezählten Gewürze und Kräuter an. Hauptprodukte sind Kamille, Zwiebel und Majoran von guter Qualität. Sie bauen vor allem auf eigenen Flächen an und arbeiten mit einigen nahegelegenen Bio-Produzenten zusammen. Bewässerungsgrapen rund ums FeldBasilikum-Feld wird bearbeitet

Ihre Landwirtschaft ist typisch: kleine Felder, von Palmen umsäumt, durch kleine Bewässerungskanäle umgeben, hauptsächlich von Hand bearbeitet. Da es keinen Regen gibt, wird jedes Feld ca. einmal im Monat geflutet.Sieben von Nanaminze auf die verschiedenen SiebgrößenTrocknung von ZitronengrasGerade wurden Zitronengras, Nanaminze, Pfefferminze und Basilikum geerntet, getrocknet und weiterverarbeitet. In der Produktionshalle werden die getrockneten Kräuter maschinell geschnitten, dann von Hand auf die verschiedenen Qualitäten eingesiebt und verpackt.Dorf in Al-FayumNach langer Besichtigung und interessanten Gesprächen nicht nur über Handel, sondern auch über Kultur und Tradition, kehrten wir erst spät in der Nacht nach Kairo zurück. Obwohl die Unterhaltung in einem allgemeinen Englisch stattfand, schien es aufgrund der Kulturunterschiede öfter so, als ob wir verschiedene Sprachen benutzen.Der Rückblick: die Reise in dieses Land mit ihren beeindruckenden Kulturschätzen und der heutigen Lebendigkeit der islamischen Kultur war sehr intensiv. Wir fühlten uns willkommen (‚welcome’ war das Wort zu jedem Zeitpunkt in jedem Gespräch) und mit reichen Eindrücken richtig beschenkt. Viele schöne Bilder kehren in Träumen zurück, und ein wenig haben wir auch von der orientalischen Gelassenheit verinnerlicht – die manchmal so ‚aufgeregt’ wirkt.