Reisebericht China

 

Am 9. Mai 2000 treffen sich in Amsterdam 15 Teehändler aus ganz Deutschland und der Schweiz, darunter die Bio-Tee Firma HEUSCHRECKE, um gemeinsam das Flugzeug nach Shanghai zu besteigen.

 

Schirmherr der Reise ist der Verein ECO&FAIR für ökologischen Anbau und fairen Handel. Im Auftrag des Vereins begleitet uns ein Filmteam, das ein 30-minütiges Video zur Information über die ökologische Grünteeproduktion in China erstellen wird. Mit von der Partie ist ebenfalls ein Mitarbeiter der deutschen Kontrollstelle GfRS, der dort die Arbeit der einheimischen Kontrollstelle OFDC supervisiert. Gemeinsam mit seinem chinesischen Kollegen wird er auf der Reise Teefelder begehen, die Teeproduktion begutachten und die Dokumente der Teefarmen prüfen. Von seiten der chinesischen Regierung wird auf uns (vor allem auf unser Filmteam) aufgepaßt: eine Beamtin des Büros für Foreign Affairs begleitet uns während der ganzen Reise. Zwei Germanistikstudentinnen aus Nanjing dolmetschen für uns.

 

Nach einem 10-stündigen Flug und 6 Stunden Zeitverschiebung erreichen wir am Mittwoch, 10.5. morgens Shanghai und werden dort bereits von unserem Gastgeber erwartet: Herr Wu, Geschäftsführer der Firma Ruikang – Bio Tee, mit der wir seit 1996 zusammenarbeiten. Herr Wu wird uns die folgenden 10 Tage begleiten.

Herr Wu ist einer der chinesischen Pioniere im ökologischen Teeanbau. Im Jahr 1996, als Staatsland den Kleinbauern zur Pacht übergeben wurde, überzeugte er die Tee-Bauern der Wukou-Farm im Bezirk Wuyuan der Provinz Jiangxi, auf ökologischen Anbau umzustellen. Viele Anbauflächen an den Berghängen waren durch Erosion stark geschädigt. Die aufgrund von Geldmangel vernachlässigten Teefelder gaben nur noch geringe Erträge. Gemeinsam mit Beratern einer deutschen Kontrollstelle wurde ein Konzept zur Verbesserung erstellt: Pflanzung von Schattenbäumen in den Teefeldern, Zwischenbegrünung, Kompostierung, Behandlung der Teesträucher gegen Krankheiten, neue Terrassierungen an den erosionsgeschädigten Steilhängen. Auf unserer Reise sind die ersten Erfolge dieser Maßnahmen deutlich!

Doch zurück zur Reise. Im Reisebus, der in den nächsten 10 Tagen unser zweites Zuhause wird, geht es zum Frühstück ins Zentrum der 14-Millionen Stadt Shanghai. In Riesenschritten wird China modernisiert. Eindrucksvolle Wolkenkratzer chinesischer Art (mit Pagoden und anderen schmückenden Elementen) wechseln sich ab mit heruntergekommenen, zum Abbruch freigegebenen Altbauvierteln. Die Bewohner werden dann in praktische, aber weniger schöne Mietskasernen umgesiedelt. Nach dem englischen Frühstück (zum letzten Mal westliches Brot, Käse, Wurst…) geht es weiter in die malerische Stadt Hangzhou am Westsee, für die Chinesen der Inbegriff von Romantik (wie bei uns der Garda- oder Bodensee). Uns fallen die vielen tausend Fahrradfahrer auf, die auch auf Autobahnen ihre eigene Fahrbahn haben. In Hangzhou erinnern uns die von Platanen gesäumten Straßen ein bißchen an Südfrankreich.

Wir sind sofort begeistert von der chinesischen Küche (chinesische Restaurants in Deutschland erreichen längst nicht diese Qualität). Praktischerweise sitzen 8 – 10 Personen um einen großen, runden Tisch herum. In der Mitte des Tischs ist eine Drehscheibe, auf der ziemlich gleichzeitig mindestens 20 Gänge serviert werden. Die Gäste nehmen sich mit ihren Stäbchen kleine Portionen auf ihren (kleinen) Teller oder probieren direkt von der Tischmitte. Die Reihenfolge der Speisen hat System: zuerst werden kleine kalte Vorspeisen geboten, dann folgen warme Gerichte, wobei alle Geschmacksrichtungen süß, sauer, scharf, bitter und salzig abgedeckt sind. Yin- und Yang-Speisen sollen ausgewogen sein, es gibt z.B. immer Fisch- und Fleischgerichte. Gegen Ende folgt eine neutrale Suppe, Dampfnudeln und Reis (für die, die noch Hunger haben), und Obst. Hier ein Auszug aus der Speisekarte: Huhn in Lotusblättern gebacken, Krabben mit Grünteeblättern gegart, Taube, Fisch-Tofu, Ananas im Karamel-Mantel, raffiniert gewürzte Gemüse wie Bambus, Pak Choi, Bittergemüse, Kürbis, Bohnen, Spinat, Kartoffeln. Gewöhnungsbedürftiger sind Hühnerköpfe und -füße, kleine Frösche und Vögel. Dazu wird Grüntee (Cha) und meistens Bier getrunken. Es gibt auch chinesischen Wein, der ein bißchen an leichte spanische Weine erinnert. Während unserer ganzen Chinareise werden wir in speziellen Hotels für Ausländer mit westlichem Standard (und Preisen) untergebracht.

 

Donnerstag 11.5.

Am Vormittag besuchen wir das Tea Research Institut in Hangzhou, ein großes staatliches Forschungsinstitut für Tee. Professor Chen Zhongmou, ein in China sehr bekannter Grünteespezialist, hat einen Vortrag zum Thema Tee und Gesundheit für uns vorbereitet. Für uns ist es interessant, hier noch einmal die neuesten Forschungsergebnisse zusammengefaßt zu bekommen. Professor Chen bestätigt uns, daß sich der biologische Anbau vorteilhaft auf den Wirkstoffgehalt des Tees auswirkt. Anschließend besuchen wir das Teemuseum. Die Geschichte des Tees in China ist hier anhand von Bildtafeln und Ausstellungsstücken dargestellt. Vor ca. 5000 Jahren wurde der Teestrauch zunächst als Heil- und Stärkungsmittel entdeckt. Im 8. Jahrhundert n.Chr. schuf der Schriftsteller Lu Yu das Teegedicht und begründete hiermit eine neue Kultur für Tee als Alltagsgetränk, die Teezeremonie.

An solch einer Teezeremonie nehmen wir nun teil. Zwei traditionell gekleidete junge Frauen bereiten mit genau vorgeschriebenen, anmutigen Handbewegungen den Tee zu. Eine dritte junge Frau erklärt den Zuschauern die einzelnen Schritte, wobei philosophische Betrachtungen mit eingeflochten werden wie: “…die Teequalität zu diskutieren formt nicht nur den Charakter und macht das Leben interessanter, sondern ist auch ein Mittel, sich von seinen Sorgen zu befreien…”. Zuerst werden die Gläser gewaschen und vorgewärmt. Die Blätter eines kostbaren Tees, meist Lung Ching, werden in die Gläser gefüllt und aufgegossen. (Bei einigen Zeremonien wird der erste Aufguß weggegossen, entweder um die Teeblätter zu waschen und weicher zu machen, oder um das Geschirr noch einmal mit dem Tee vorzureinigen.) Die Teeblätter verbleiben im Glas, das später immer wieder mit heißem Wasser (ca. 85°C) aufgefüllt wird. Tee wird in China meistens aus Gläsern oder den typischen großen Tassen mit Deckel getrunken. Anders als in Japan wird der Tee auch direkt im Glas aufgebrüht. Nur bei Teezeremonien zu sehr wertvollen Tees werden diese in der Teekanne aufgegossen und in kleinen Schalen serviert. Hierzu die chinesische Weisheit, daß “die Teekanne das Universum verkörpert und die Teetassen die Geschichte der Menschheit darstellen.”

Am Nachmittag fahren wir nach Wuyi ca. 200km südlich von Hanghzou in der Provinz Zhejiang. Zur Zeit wird dort in großem Maße gebaut und die Straßen modernisiert. Aufgrund der vielen Baustellen kommen wir erst nach 6 Stunden in dem Städtchen Wuyi an, dem Startpunkt für die Besichtigung unserer ersten Teefarm. In Wuyi erwartet uns ein großartiger Empfang. Zu Ehren der ‘European Organic Tea Delegation’ findet ein bunter Abend mit Tanz, Konzert und chinesischer Oper statt, eingeleitet durch Begrüßungsansprachen aller anwesenden Gemeinde-Beamten und örtlicher Partei-Prominenz. In der Hotelbar klingt dieser Abend aus. Wir sprechen über Biotee-Anbau in China und ECO&FAIR. Mit der teilweisen Privatisierung in China kommt es zu neuen Bedingungen für den Handel bis hin zum Kleinbauern. Der Verein ECO&FAIR macht sich zur Aufgabe (neben der Förderung des ökologischen Anbaus), die Lebensbedingungen der Bauern zu verbessern. Die ersten Einnahmen des Vereins, die aus Lizenzgebühren für die gelabelten Produkte stammen, finanzieren zusammen mit der GTZ (Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, deutsche staatl. Entwicklungshilfe-Organisation) diesbezüglich ein 3-jähriges Projekt, in dem zunächst die tatsächlichen sozialen Umstände, die sich durch die Teilprivatisierung ergeben, erforscht werden.

 

Freitag, 12.5.

Wir besuchen die Jinshan Bio-Teefarm von Herrn Pan im Bezirk Wuyi. Die Teefelder an den sanften Berghängen sind gut gepflegt und mit den speziell für uns traditionell gekleideten Pflückerinnen sehr malerisch. Bis zu 800 m Höhe erstrecken sich die Teefelder, gekrönt von einer riesigen Buddha-Statue mit Tempel und Einsiedelei auf dem Berggipfel.In China wird Tee in der Regel per Hand gepflückt, da die Arbeitslöhne noch immer niedriger sind als die Kosten der Maschinen.Die erste Produktion des besten Tees der Region, Lung Ching, ist bereits vorbei. Wie auch in Japan bringt die erste Pflückung Ende April die beste Qualität mit dem höchsten Wirkstoffgehalt und den feinsten Aromen. Diese Tees erzielen Preise bis 1000 DM/kg.

Gerade findet die zweite Pflückung und Produktion von Lung Ching mit etwas geringerer Qualität statt, die wir nun in der farmeigenen Teefabrik besichtigen.Für Lung Ching wird nur das oberste zarte Blatt mit der Knospe gepflückt. Eine Pflückerin erntet ca. 6kg frischen Tee am Tag. Auf großen Bambusmatten werden die Teeblätter für einige Stunden zum Welken ausgebreitet. Anschließend werden sie von Hand in elektrisch geheizten Wok-Pfannen weiterverarbeitet (Laien würden sich an den Woks sofort die Finger verbrennen). In der Jinshan Teefabrik arbeiten gleichzeitig etwa 12 Mitarbeiter/innen an ebenso vielen Woks. In immer gleichen Handbewegungen wird der Tee gepreßt und wieder aufgelockert, bis er den richtigen Trocknungsgrad erreicht hat. Die Art der Handbewegung formt den Tee und bestimmt mit, wie das fertige Blatt aussieht. Dieser Vorgang dauert ca. 18 Minuten und ergibt aus 250g frischen Blättern 50g fertigen Tee. Inklusive Pflücken braucht es 14 Stunden reine Arbeitszeit, um 1 Kilo Lung Ching herzustellen. Der fertige Tee hat ein milchig-grünes, plattes Blatt. Der Aufguß ist gelbgrün und außerordentlich duftig, gehaltvoll und aromatisch. Preiswertere Lung Chings werden inzwischen auch maschinell aus späteren Pflückungen hergestellt.

Lung Ching ist nur eine von ca. 500 chinesischen Teespezialitäten, die sich in Blattform, Region, Erntezeitpunkt und natürlich im Preis unterscheiden. Einige Spitzentees werden auf dem chinesischen Markt zu 1000 DM/kg und mehr gehandelt. In Deutschland gibt es leider noch keinen Markt für diese edlen Tees. Doch wenn man den geringen Ernteertrag und die aufwendige Handarbeit bei solchen Tees berücksichtigt, wird klar, daß hoher Teegenuß auch seinen Preis hat. Wir werden einige neue China-Tees listen:

 

  • Einen einfacheren, preiswerten Lung Ching(wir haben bereits eine Spitzenqualität I.Grade)
  • Oolong Taiwan-Typ (wie Rosé nur ganz kurze Zeit fermentiert, außergewöhnlich duftig-fruchtige Aromen, goldbraune Tasse)
  • Mao Fang(oder Feng, 2 leafs and 1 bud, Handverarbeitung im Wok, Endtrocknung in der Sonne, rassig-intensiv)
  • Pilo Chun( = Jadespirale des Frühlings, filigraner, tippiger Tee aus den feinen Spitzen)
  • Ming Mee(= liebliche Augenbraue, feiner, nachhaltiger Tee nur aus den Knospen)
  • Yu Huan Cha( = gerollter Tee, chinesische Spitzfindigkeit: zwei Blättchen mit der Knospe werden über Bambusstöckchen gerollt, ergibt kleine Kringel. Sehr feiner Tee, der erst nach 5 Minuten in der Tasse ein verführerisches Parfüm nach Rose entwickelt)

 

Zu den letzten 3 Teesorten muß bemerkt werden – je feiner die geernteten Blattspitzen und Knospen sind, um so verhaltener ist zunächst der Tee in der Tasse. Wie bei hochwertigen Weinen öffnen sich die Aromen erst, wenn der Tee in der Tasse einige Minuten mit Luft in Berührung gekommen ist. Übrigens, alle Spitzentees sind frühe Pflückungen. Hier ist der Wirkstoffgehalt am höchsten.

 

Im Anschluß besichtigen wir eine Sehenswürdigkeit der Region, das Yin und Yang-Dorf, ein Beispiel für perfektes Feng Shui. (Diese chinesische Wissenschaft, die der Geomantie ähnelt, darüber hinaus aber sehr gestalterisch mit den Naturenergien umgeht, ist auch bei uns zur Zeit sehr gefragt, z.B. als Hilfe bei der Wohnungs- oder Büroeinrichtung.) Die Natur hat das Tal, in dem das Dorf angesiedelt ist, durch einen sich hindurchschlängelnden Fluß und kreisförmig umgebende Berge in der Yin/Yang Form gestaltet. Die beiden Punkte werden durch einen See und ein Wäldchen gebildet. Chinesische Gelehrte bestätigten dem Dorf, daß hier die Energie tatsächlich höher sei. Wir können einige prächtig geschmückte, historische Gebäude, z.B. ein Theater, sehen, aber auch das einfache Leben der Dorfbewohner.

 

Samstag, 13.5.

Wir starten sehr früh Richtung Wuyuan (400km südwestlich von Hangzhou gelegen) in der Provinz Jiangxi, da für die ca. 300km lange Strecke wegen der vielen Baustellen 9 Stunden angesetzt sind. Im Endeffekt werden es dann 12 Stunden. Es gibt kaum PKWs auf dem Land, dafür um so mehr Kleinlaster, mehr oder weniger fahrtüchtig. Liegengebliebene LKWs werden in aller Seelenruhe auf der Fahrbahn repariert. In Dorfnähe werden auf der Fahrbahn Getreide oder Hüsenfrüchte gedroschen und getrocknet. Die Straße ist innerhalb der Dörfer eher bewohnt als befahren. Für uns sieht es so aus, als gebe es keine Verkehrsregeln – Linksfahrer sieht man genauso oft wie Rechtsüberholer (in China ist wie bei uns Rechtsverkehr). Zum Glück fahren alle (mit ständigem Hupen) langsam genug, um zu bremsen und auszuweichen. In der Abenddämmerung kommen die Bauern hinzu, die auf den 4-spurigen Straßen ihre Enten(!)herden und Wasserbüffel heimtreiben. Die Landschaft, ab und zu unterbrochen durch eine weniger schöne, schnell hochgezogene Stadt, ist eine Augenweide. In den Tälern glitzern bewässerte Reisfelder in ganz frischem Grün. Neue Felder werden gerade mit dem Wasserbüffel bearbeitet. Wir sehen auch Getreidefelder, Gemüsegärten oder Lotus-Seen. An den sanften Berghängen ist jeder Fleck kultivierbares Land genutzt. Es gibt unzählige Terrassen mit Reis- und anderen Kulturpflanzen. Selbst ein Zwei-Quadratmeter-Fleck wird noch für den Anbau genutzt. Kein Feld ist eckig, sondern harmonisch abgerundet in die Landschaft eingepaßt. Das Auge des Betrachters fließt sozusagen in die Landschaft – ein erholsamer Anblick.

Gegen 17 Uhr wird das Licht golden, und die Bauern kehren von der Arbeit heim. Die Feierabendstimmung ist friedvoll. Zwischen 19 und 19.30 Uhr wird es schlagartig dunkel. Im Wuyuan Friendship Hotel werden wir schon von der Vizebürgermeisterin Frau Yu erwartet. Von ihr lernen wir das gefürchtete “Ganbei”-Trinken: der Trinkspruch Ganbei heißt soviel wie Prost oder ‘leeres Glas’ und verpflichtet, das Glas Bier in einem Zug leerzutrinken.

Wuyuan ist die Heimatgemeinde der alten Wukou – und der neuen Ruikang Bio-Teefarm. Beide Farmen arbeiten kontrolliert biologisch, doch nur die Ruikang Farm erfüllt den europäischen Standard. Von ihr beziehen wir seit 1996 den größten Teil unseres chinesischen Tees. Die Bio-Kleinbauern verkaufen den frischen Tee an die im separaten Gebäude untergebrachte Ruikang-Teefabrik von Herrn Wu, wo er verarbeitet wird. Frau Yu hat Herrn Wu, unseren Lieferanten, bei der Einführung des ökologischen Landbaus immer unterstützt.

 

Sonntag, 14.5.

Heute steht die Besichtigung der Woolong – Bio-Farm in der Nähe von Wuyuan auf dem Programm.Die Woolong-Farm erstreckt sich tief im Inland in einem 6-7 km langen Tal und ist nur über Schotterpiste zugänglich. Die 30-ha-Teefarm produziert 70 to Tee und ernährt 350 Familien. Leider steht die Teefabrik heute still. Die erste Produktion ist gerade abgeschlossen, und wegen Trockenheit sind noch keine neuen Teeblätter nachgewachsen.In der Fabrikhalle fallen uns die modernen Maschinen auf. Die Trocknungsanlagen sind jetzt so konzipiert, daß der Rauch der Feuerung nicht mehr mit dem Tee in Berührung kommt. Dieses für China typisch rauchige Aroma wird also mit der Modernisierung verschwinden, wie es der japanische und westliche Geschmack fordert. (Da Japan seinen eigenen Teebedarf nicht decken kann, läßt es z.B. Sencha-Tees in China produzieren).

Auf der Rückfahrt gibt es einen unfreiwilligen Halt im interessanten Bio-Tee Dorf Da Zhang Shan wegen eines geplatzten Reifens. Während unser Reisebus repariert wird, wandern wir ein Stück vor durch die wunderschöne Landschaft. Die Dörfer weiter im Inland machen auf uns einen intakten Eindruck. Es gibt traditionelle Häuser mit geschwungenen Dächern und schönen Bemalungen. Wir sehen alle Arten von Handwerkern und Krämerläden. Es erinnert uns etwas an die Werkstätten der 50er Jahre in Deutschland – viel, viel Handarbeit, auch beim beackern der Felder. Unsere Reisegruppe von Langnasen erregt natürlich Aufmerksamkeit. Die kleineren Kinder müssen erst Mut fassen, ehe sie sich an uns herantrauen.

 

Montag, 15.5.

Heute besuchen wir die Ruikang/Wukou Farm. Die Wukou-Teefarm mit 430 ha Gesamtfläche existiert seit 1934. Im Jahr 1996 wurden die Teefelder in Teilprivatisierung an die ca. 1200 Kleinbauern verpachtet und auf einem Teil der ökologische Anbau initiiert. Herr Wu übernahm 1998 mit seiner Firma Ruikang 39 ha Teefelder und die Teefabrik. Die komplette Ernte von ca. 50 to Biotee wird nach Deutschland über unseren langjährigen Teeimporteur verkauft. Das stellt für die Ruikang-Teefarm eine optimale Sicherheit dar, da nur so die erforderlichen Mehrpreise gegenüber dem konventionellen Markt erzielt werden können. Wenn zu viele Farmen gleichzeitig umstellen und die erzeugten Mengen Tee nicht auf der Bioschiene vermarktet werden können, wird manche Farm wieder zum Aufgeben gezwungen sein (wie in Darjeeling geschehen ist). Insgesamt verbraucht China den größten Teil seiner Teeproduktion selbst und nur ein kleiner Teil geht in den Export.

Allerdings ist der Biomarkt im Inland noch nicht entwickelt. Zuviel Biotee drückt den Preis und verringert das Engagement der Teebauern. Zunächst besichtigen wir den Demonstrationsgarten von Ruikang. Hier werden erst verschiedene Zwischenbegrünungen, Baumanpflanzungen und Dünger getestet, und die besten Ergebnisse auf die anderen Teefelder übertragen. Da Ruikang viele Steillagen hat, sind besonders Maßnahmen zum Schutz vor Erosion von den Bio-Kontrolleuren zur Auflage gemacht worden. Hier können wir bereits einen großen Erfolg sehen, obwohl nicht alle Baum- und Pflanzenarten, die die Erde festhalten sollen, gut angegangen sind. In aufwendiger Arbeit sind die Terrassen der Steilhänge neu befestigt worden. Langsamer zeigen sich die Erfolge der Düngung. Die spontane Gründüngung ist ein wichtiges Element, zusätzlich ist das Einsähen von stickstofffördernden Leguminosen nötig.Hier dauerte es recht lange, die passende Bohnenpflanze auszuwählen und davon Bio-Samen zu züchten. Optimal ist die Haltung von Tieren, die guten Mist bringen, in den Teegärten. Das scheitert zunächst an 2 Gründen: es ist nicht möglich, alle Teegärten einzuzäunen; es gibt zuwenig wildwachsende Nahrung für Tiere und der Zukauf des geforderten Bio-Futters ist für die armen Teebauern nicht realisierbar. Die richtige Lösung für China wird noch ausgetüftelt.

Weiter geht es zur Teefabrik. Mit uns kommen die Teepflückerinnen von der Ernte. In einer Schlange stehen sie vor der Waage, wo die Erntemenge jeder Pflückerin gewogen und in ein Buch eingetragen wird. Dann wird der Tee zum Welken ausgebreitet. Heute können wir gleichzeitig die Produktion von 4 verschiedenen Teesorten beobachten:

1.Lung Ching (neue Schreibweise Long Jian, nach dem gleichnamigen Ort benannt), hier maschinelle Verarbeitung (die Handverarbeitung sahen wir auf der Jinshan Farm): Nachdem der Tee (one leaf and a bud) ca. 5 Std. gewelkt ist, wird er in eine große Dämpf-/Röstmaschine eingefüllt. Die Holzfeuerung dieser Maschine ist relativ gut vom Tee abgetrennt. Bei 130°C können bis zu 80kg Tee pro Stunde verarbeitet werden. Die Blätter werden hierdurch geschmeidig gemacht und ein Fermentieren wie beim Schwarztee wird verhindert. Nun kommt der Tee in eine normale Rollmaschine, die für alle Tees benutzt wird. Der Roller ist sehr klein, faßt 3-5 kg gedämpften Tee und läuft ca. 10 min. Danach kommt der Tee in einen modernen, holzgefeuerten Rüttel-Trockner (100°C), der den Tee gleichzeitig zur typischen Lung Ching-Form plättet. Es folgt ein weiterer ‘Former’, worin der Tee gestampft und gebürstet wird. Zum Schluß wird der Tee von Hand gesiebt – 300g Tee sind fertig!

2.Yuncui (heißt two leafs and a bud)Wie vorher wird der Tee gewelkt und dann gedämpft/geröstet. Nun kommt er für 5 min. in die Rollmaschine und wird anschließend für 10 min. auf geheizte Roste gelegt und vorsichtig von Hand gewendet. Das wird noch einmal wiederholt. Dann wird der angetrocknete Tee eine Stunde lang im Wok von Hand weiterverarbeitet. Die rollenden Handbewegungen (ganz andere Handbewegungen als bei Lung Ching) ergeben das locker gekräuselte Blatt des Yuncui. Die Endtrockung erfolgt auf Stoff, der über eine Holzkohlepfanne gespannt ist. Danach wird von Hand gesiebt und verlesen und nochmal vorsichtig im Wok nachgetrocknet. Yuncui hat eine goldgelbe Tasse, ist trotz des hohen Wirkstoffgehalts sehr fein-aromatisch, mit einem Hauch Rauchgeschmack durch die traditionelle Endtrockung.

3.Pilo-Chun: Der Ausgangstee für Pilo-Chun ist höherwertig als bei Yuncui: es werden nur die ganz feinen Blätter und Spitzen gepflückt. Je ‘tippiger’ der Tee ist, um so besser und teurer.Die Herstellung ist ähnlich wie bei Yuncui, nur die Formung des Teeblatts findet diesmal statt im Wok in einer Art geheizten Wendemaschine statt. Der Tee wird 30 min. geformt und getrocknet. Danach wird er auf dem beheizten Handrost vorsichtig gewendet und weitergetrocknet. Die Endtrocknung ist wie bei Yuncui über Holzkohlepfannen. Pilo-Chun hat ein fein gedrehtes Blatt und ein facettenreiches, mild-blumiges Aroma.

4.Mu Dan Teerosen: Dieser kunstvolle Tee besteht aus den obersten zwei zarten Blättchen mit Knospe. Der Tee wird gewelkt, gedämpft/geröstet, dann ca. 20 min in der Rollmaschine geformt und anschließend auf der Rüttel-Röstmaschine bei 100°C 10 min. lang angetrocknet. Der noch geschmeidige Tee wird nun in den Raum gebracht, wo ca. 30 Frauen die Teerosen binden. Von Hand werden die brauchbaren Teespitzen herausgesucht, gebündelt und zu einem Sträußchen zusammengebunden. Dann werden beide Enden des Sträußchens auseinandergebreitet und mit dem Handballen zur flachen Blume gepreßt. Mithilfe einer Schablone werden überstehende Spitzen abgeschnitten und die Rose in eine runde Form gebracht. Die Teerosen trocknen auf Stoff, der über Holzkohlebecken gespannt ist, 20 Stunden lang bei niedriger Temperatur (40-50°C) zuende. In der Kanne entfaltet sich die Teerose wunderschön und erinnert an eine vollerblühte Chrysantheme – eine Blume, die von den Chinesen verehrt wird. Der Geschmack ist zart-blumig, die Tasse hellgrün. Ein Standardtee der Region Jiangxi und auch der Ruikang-Teefarm ist Chun Mee. Dieser angenehm feinherbe, preisgünstige Grüntee darf in keinem Teegeschäft fehlen, genauso wie der südfranzösische Landwein ein wichtiger Umsatzträger in jedem Weingeschäft ist. Chun Mee von Ruikang ist die Grundlage unserer grünen Aktionstees und unserer natürlich aromatisierten Grüntees.

Leider fehlt die Zeit, alle der ca. 20 Teesorten, die auf Ruikang hergestellt werden, zu probieren. Weitere hochwertige Spezialiäten sind Ming Mee Tee und ‘Ruikang’ Tee (den gab es zur Teezeremonie auf der Biofach in Nürnberg) . Dieser erinnert uns an unsere Winzer, die auch ihr gesondertes Cuvée du Maître aus dem besten Weinberg machen. Nach dem köstlichen Mittagessen, das die Mitarbeiterinnen der Ruikang Farm für uns zubereitet haben, fahren wir weiter Richtung Nanjing. Der praktische Tee-Teil unserer Reise ist hiermit beendet, es geht nun in 1 ½ Tagesfahrten wieder vom Land in eine 4-Millionen-Großstadt. Unterwegs gönnen wir uns noch eine herrliche Fahrt durch eine einsame chinesische Mittelgebirgslandschaft mit Bächen, Reisfeldern, alten Straßendörfern – Impressionen, die wir so schnell nicht wieder vergessen.

 

Dienstag, 16.5.

In Nanjing angekommen, verabschieden wir uns von unseren Dolmetscherinnen. Die Frauen in unserer Gruppe dürfen die beiden noch bis in ihr Zimmer im Studentenwohnheim begleiten. Hier bekommen wir erstmal einen Schreck: auf 15 qm Raum sind 4 doppelstöckige Betten aufgestellt. 7 Mädchen wohnen in einem Zimmer, im 8. Bett sind die ganzen Koffer der Mädchen untergebracht. Die Betten sind wie Himmelbetten mit Stoff zugehängt – die einzige Privatsphäre. In der Mitte steht ein langer Tisch, überladen mit Büchern, mit 7 kleinen Schemeln. Sonst gibt es nur noch ein Regal, voller Bücher, und eine Wäscheleine quer durchs Zimmer. Für zusätzliche Gegenstände gäbe es gar keinen Platz mehr. Aber die Mädchen fühlen sich dort wohl, da sie sich untereinander gut verstehen, und die Zimmer und Verpflegung sehr preisgünstig sind. Abends tummeln wir uns in der Stadt. In den kleinen, privaten Geschäften gibt es keine festgelegten Preise. Ausländer bekommen Ware zu einem oft überhöhten Preis angeboten. Handeln wird erwartet, aber im Endeffekt zahlt ein Tourist oft mehr als ein Chinese. Nur in staatlichen Geschäften gibt es verbindliche Preisauszeichnungen.

 

Mittwoch, 17.5.

Unsere Reisegruppe wird überraschend in den palast-ähnlichen Ratssaal vom Vizebürgermeister der 4-Millionen Stadt Nanjing geladen. Es werden auf beiden Seiten Reden gehalten. Bio-Anbau ist ein großes Thema, die Regierung hat sich Umweltschutz auf die Fahnen geschrieben und interessiert sich “am Rande” für die Kaufkraft der europäischen Teehändler. Gemeinsam gehen wir anschließend organisiert shoppen. Im staatlichen Art- und Craft Center können wir traditionelle Handwerkskunst besichtigen, z.B. Kalligraphien, Tuschezeichnungen, Stempelmacher, Jadeschnitzereien. Am Nachmittag sind wir von Herrn Wu in die neuen Räume der Firma Ruikang eingeladen, die in Nanjing ihren Hauptsitz hat. Herr Wu erzählt ein bißchen aus der Firmengeschichte und seiner Anfangszeit als Bio-Teehändler in China. Wie wir den mit chinesischer Höflichkeit vorgetragenem Bericht entschlüsseln, werden privatwirtschaftliche Initiativen auf höchster Ebene in Peking gefördert, aber auf Provinz- und Kommunalebene kann es zu Konkurrenzkämpfen zwischen kommunalen und privaten Unternehmen kommen.

Abends steht chinesisches Vergnügen auf dem Plan, die OFCD hat uns eingeladen: leckeres Essen, eine Yunnan-Tanzgruppe hübscher junger Frauen und Männer, die es sich nicht nehmen lassen, uns zum Tanz vorzuführen und noch andere Spielchen mit uns zu treiben. Anschließend gibt es Karaoke und Disco.Wir haben zwar nicht gesungen, uns aber trotzdem köstlich amüsiert. Selbst hier ist, wie überall in China, um 21 Uhr Zapfenstreich. (Die Unentwegten landen noch im ‘Casablanca’, der Nachtclub-Disco.)

 

Donnerstag, 18.5.

Wir besuchen um 9 Uhr das Büro der chinesischen Kontrollstelle OFCD. Im selben Gebäude sind auch die Büros des GTZ-Bio-Projekts untergebracht. Der Verein Eco&Fair hat, wie oben beschrieben, mit dem Nanjing-Büro der GTZ unter Leitung von Frau Dr. Pennartz ein Forschungsprojekt über die soziale Situation der Bio-Teebauern und auch der Ermittlung des ‘fairen’ Preises für die Bio-Tee-Produktion in Auftrag gegeben. In einem Diavortrag wird der Stand des chinesischen Bio-Landbaus deutlich: Von der Regierung wurde bereits integrierter Anbau gefördert, allerdings gibt es für jetzt Umstellwillige keine Unterstützung mehr. In der Umstellphase sind die Einkommensverluste von den ohnehin armen Bauern schwer zu verkraften. Im Inland gibt es noch kein Handelssystem für Bio-Produkte. Andererseits verfügt gerade China über eine lange Tradition und indigenes Wissen zu harmonischer Landwirtschaft (Feng Shui). Und Arbeitskraft ist sehr billig. Die OFCD bietet neuerdings Trainingsprogramme für Bauern an. Es muß weiterhin geforscht werden: europäische Maßnahmen zur Förderung der Fruchtbarkeit und des Bodens greifen nicht unbedingt in China – hier gilt es, passende Alternativen zu finden.

Bio-Landbau ist im Anfangsstadium (seit 1996 steigend). Die Bio-Gesamtfläche in China beträgt 1999 20.000 ha. Nachmittag: …nach einigen Mühen und fast ohne Verständigungsmöglichkeiten durch die Großstadt durchwurschteln – so gut wie niemand spricht englisch bzw. kann was anderes als chinesische Zeichen lesen – Rückwechseln der chinesischen Yuan in eine konvertierbare Währung unter teilnehmender Beobachtung des sehr bürokratischen Prozedere – entspannen sich zwei Protagonisten in einem typischen Garten am Konfuzius Tempel – indem sie ein paar Figuren Tai Chi erinnernd rekapitulieren… Chinesen lächeln dazu… Am frühen Abend treffen wir uns mit den Mitarbeitern von Ruikang und der OFDC in einem traditionellen Teehaus. Vier Teezeremonien werden von professionellen Tee-Lehrerinnen, die eigens aus Shanghai angereist sind, vorgeführt: zu Yuncui, dann zu einem sehr edlen Oolong Tee aus Taiwan (obwohl konventionell, konnten wir nicht wiederstehen – hoffen wir, daß der Zauber auch in Köln wirkt), zu Jasmintee, und zu einem Bauern-Picknick. Allein das Betrachten der harmonischen, genau vorgeschriebenen Körper- und Handbewegungen versetzt uns in eine Meditation. Völlig entspannt genießen wir anschließend das gemeinsame Abendessen im Teehaus.

 

Freitag, 19.5.

Bevor wir zurück nach Shanghai fahren, besuchen wir als Pflichttermin noch das Mausoleum des Staatsgründers der jungen Republik China, Dr. Sun Yatsen. Der in Amerika ausgebildete Arzt führte den Sturz der letzten Dynastie herbei (1909). Die erste provisorische Hauptstadt war Nanjing. Sun Yatsen wird von den Chinesen so verehrt wie bei uns der heilige Franziskus in Assisi. Nun kommt Abschiedsstimmung auf. Wir feiern im berühmten Shanghaier Peace Hotel, einem etwa 100 Jahre alten Hotel im Kolonialstil. Nach dem Festessen besuchen wir den Old Jazz Club des Peace Hotels. Die 6 alten Chinesen, die ausschließlich Standards spielten, sind eine Art Legende. Es gab wohl schon mal einen Film über diese Band im WDR.

 

Samstag, 20.5.

Unsere chinesischen Freunde begleiten uns zum Flughafen. Wir nehmen mit einem lachenden und einem weinenden Auge Abschied von China. Das riesige Land mit der alten Kultur hat uns mehr beeindruckt, als wir es für möglich gehalten hatten. China ist wie ein kraftvoller Tiger auf dem Sprung – zwischen Tradition und Moderne. In den 10 Tagen unserer Reise haben wir – trotz einiger mentalitätsbedingter Mißverständnisse – vieles bewundert, genossen und verstehen gelernt.

 

Ursula Stübner, Heinz Dieter Gasper

 

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